Ciba – Geigy – Sandoz – Novartis = Chemische Industrie Basel

Chemie am Rhein. Eine Basler Industriegeschichte.

Ciba – Geigy – Sandoz = Novartis

Am 7. März 1996 erreichte eine aufsehen erregende Nachricht die Wirtschaftswelt. Die beiden in der Schweiz domizilierten Chemie/Life Sciences-Giganten Sandoz und Ciba-Geigy fusionierten. Die Gründung von Novartis, wie das neue Unternehmen genannt wurde, stellte damals die grösste Firmenfusion der Geschichte dar. Sandoz und Ciba-Geigy konnten zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine lange Firmengeschichte zurückblicken. Ursprünglich gab es drei verschiedene Firmen. Geigy, deren Geschichte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück reicht, Ciba, die um 1860 gegründet wurde, und die im Jahr 1886 entstandene Sandoz.

Im Jahr 1758 gründete Johann Rudolf Geigy-Gemuseus eine Firma in Basel mit dem Zweck “Materialien, Chemikalien, Farbstoffe und Heilmittel aller Art” zu handeln. In den folgenden einhundert Jahren beschränken sich die Geigys darauf, die Handelsstruktur auszubauen. Mitte des 19. Jahrhunderts genügte dies den Nachkommen des Firmengründers nicht mehr. 1857 erwirbt Johann Rudolf Geigy-Merian zusammen mit Johann Müller-Pack ein Grundstück, auf dem er ein Farbholz- und ein Farbextraktionswerk errichtete. Nur zwei Jahre später nahmen die beiden die Produktion von synthetischem Fuchsin auf. Beinahe zu gleicher Zeit 1859 begann Alexander Clavel in seiner Fabrik für Seidenfärberei in Basel ebenfalls mit der Produktion von Fuchsin. 1864 erstellte er eine neue Produktionsstätte für synthetische Farbstoffe. Neun Jahre später verkaufte Clavel seine Farbstofffabrik an die neu entstandene Firma Bindschedler & Busch. Diese gründete kurz darauf Handelsvertretungen in Deutschland, Frankreich, England, Italien, Russland und den USA. Die Firma wurde unter der Bezeichnung “Gesellschaft für Chemische Industrie Basel” in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. Die Abkürzung “Ciba” blieb haften, so dass sie im Jahr 1945 zum offiziellen Firmennamen erklärt wurde. Der Ruf von Basel als Chemiemetropole führte dann schliesslich im Jahre 1886 dazu, dasss Alfred Kern und Edouard Sandoz die Chemiefirma Kern & Sandoz ins Leben erweckten.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es mit der Gründung der “Interessengemeinschaft Basel” zwischen Sandoz, Ciba und Geigy zur ersten losen Annäherung. Unabhängig von einander entwickelten alle drei in den folgenden Jahrzehnten wichtige Produkte wie das Insektizid DDT, der Klebstoff Araldit, das Kreislaufmittel Coramin oder den Süssstoff Saccharin. Ein an und für sich brillante, wenn auch zum späteren Zeitpunkt in Verruf geratenes Medikament wurde vom Chemiker Albert Hofmann 1938 mit dem Ziel, ein Kreislaufstimulans zu schaffen, entwickelt – LSD! LSD wurde später unter dem Handelsnamen Delysid von Sandoz zur psychiatrischen Behandlung und zu Forschungszwecken verwendet und von einer ganzen Generation als Psychodroge missbraucht. Alle drei Unternehmen akquirierten zusätzliche Firmen oder stiegen in andere verwandte Bereiche ein. Am meisten Aufsehen erregte Sandoz mit der Fusion mit der Wander AG und der damit verbundenen Diversifikation in das Diätetika-Geschäft (Ovomaltine, Isostar), gefolgt von der Akquisition von Delmark im Jahr 1972, Wasa, dem schwedische Knäckebrothersteller, 1982 und Gerber Babynahrung 1994.

Im Jahr 1970 fusionierten dann Ciba und Geigy zur Firma Ciba-Geigy AG. Bereits drei Jahre später sorgten sie mit der Einführung des Antirheumatikums Voltaren weltweit für Aufsehen. Ein viertel Jahrhundert später schlossen sich Sandoz und Ciba, die seit 1992 nicht mehr Ciba-Geigy hiess, in einer der grössten Fusionen der Geschichte zur Firma Novartis zusammen. Nebst dem erfolgreichen Zukauf diverser Firmen und der Lancierung neuer Produkte sorgte Novartis in den letzten Jahren mit seinem Projekt „Novartis Campus“ in der Region für Schlagzeilen. Novartis verwandelt den Industriekomplex des St. Johann-Areals mit seinen Forschungs- und Produktionsstätten, Bürogebäuden und dem internationalen Hauptsitz in ein hochmodernes Forschungs-, Entwicklungs- und Managementzentrum. Hier ein virtueller Rundgang: http://campus.novartis.com/

Auf Basis eines langfristig ausgerichteten, flexiblen Masterplans entstand ein Campus des Wissens und der Innovation, mit den besten Voraussetzungen für Kommunikation, Wissensaustausch und Zusammenarbeit.

Und, wer weiss, vielleicht kommt es irgendwann zur Fusion mit der Schwester in der Grenzacherstrasse. Dann würde aus der Formel Ciba – GeigySandoz = Novartis + Roche vielleicht wieder Ciba, nämlich die Chemische Industrie Basel.

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Die inzwischen eingestellt Tageswoche widmete der Chemiestadt Basel im Dezember 2016 ein Sonderheft.

Die Gewerkschaften sprachen von «Skandal». Die «TagesWoche», als es sie vor einem Jahr noch gab, titelte: «Der Novartis-Kahlschlag erschüttert die ganze Stadt». Der SP-Präsident bezeichnete den Stellenabbau als «unverantwortlich und nicht nachvollziehbar». So oder ähnlich tönt es jeweils, wenn Roche oder Novartis die Kosten der Wettbewerbssituation anpassen.

Basler Zeitung 11.11.2019

Rainer Luginbühl

Journalist BR, Basel, Love what you do and do what you love