Havarie der MS Corona

Vielen Stadtbewohnern ist die Havarie des deutschen Motorschiffes «Corona» vom 28. September 1984 noch gut in Erinnerung. Als der Schubleichter oberhalb der Mittleren Brücke vom Schubboot «Vogel Gryff» losgerissen wurde und quer an den Brückenpfeilern liegend sank. Jene Bergung nahm siebzehn Tage in Anspruch, die Schifffahrt war während fast drei Wochen gesperrt. Verletzt wurde niemand.

Beitrag im Stadtbuch 1984

Die Geschichte der Havarie der MS Corona im Beitrag von SRF,

Die Geschichte in der Basler Zeitung vom 17.08.2011


NZZ Online– 21. September 2020 05:30schweiz«Corona» legt die Basler Rheinschifffahrt lahm

Im September 1984 brachte ein spektakuläres Schiffsunglück die Rheinschifffahrt am Dreiländereck für mehrere Wochen zum Erliegen. Ein Blick zurück.

Peter Bollag

Quer am Brückenpfeiler gelandet: das havarierte Rheinschiff «Corona». Keystone

Es ist der 28. September 1984, ein Freitag. Auf dem Rhein in und um Basel verkehren an diesem Morgen wie gewohnt bereits einige Last- und Personenschiffe. Sie tun dies aber zum letzten Mal – für ziemlich genau drei Wochen. Grund dafür ist ein spektakulärer Unfall, der sich kurz vor neun Uhr bei der Mittleren Brücke der Stadt abspielt.

Die beiden rheinaufwärts fahrenden Schiffe, das Schubschiff «Vogel Gryff» und das deutsche Rheinschiff «Corona», im Fachjargon Schubleichter genannt, sind seit der Ankunft der «Corona» aus Rotterdam in Basel im Verbund unterwegs. Die «Vogel Gryff» soll die «Corona», die im Besitz der Schweizerischen Reederei und Neptun AG ist, zum Hafen Birsfelden begleiten. Dort sollen dann die rund 930 Tonnen Tonerde, welche die «Corona» mitführt, entladen werden. So ist es zumindest geplant. Dass es sich bei diesem Material nur um eine «harmlose» Fracht handelt und nicht beispielsweise um Öl, wird sich bald als Glücksfall erweisen.Mann über Bord

Denn auf der Höhe der Mittleren Brücke wird die «Corona» mit ihren zwei Mann Besatzung von der Strömung abgetrieben und prallt gleich darauf gegen die steinernen Pfeiler der ältesten Rheinbrücke. Dies, nachdem der Kapitän der «Vogel Gryff» ein Ausweichmanöver versucht hat. Dabei streift sein Schiff zuerst einen Pfeiler, kann dann aber weiterfahren und sicher im Hafen von Kleinhüningen anlegen. Für die «Corona» hingegen gibt es keine Rettungsmöglichkeit mehr: Das 60 Meter lange Schiff schlägt leck und sinkt innert weniger Minuten. Der Schiffsjunge geht über Bord und wird von einer Privatperson, die den Unfall beobachtet hat und mit einem Motorboot unterwegs ist, in einer abenteuerlichen Aktion aus dem Wasser gezogen.

Zusätzliche Attraktion für Basel: Schaulustige beobachten die Rettungsarbeiten. Keystone

Vom Kleinbasler Ufer aus beobachtet ein niederländischer Gast des Hotels Krafft, was sich auf dem Rhein abspielt. Der Amateurfotograf gibt tags darauf in der «Basler Zeitung» die dramatischen Minuten des Unfalls aus seiner Sicht wieder: «Der Schiffskörper, der sich im Wasser quergestellt hatte, prallte zweimal hart gegen den Brückenpfeiler. Dann ging alles sehr schnell. Plötzlich tauchten mehrere Boote (auch ein Feuerwehrboot) auf, die den Rhein nach dem verschwundenen Schiffsjungen absuchten. Ein kleines Boot legte seitlich bei der Kapitänskajüte an und befreite einen Mann, vermutlich den Schiffsführer, aus dem auf Grund gelaufenen Schiff.»

Die Aussagen und die Fotos des niederländischen Augenzeugen werden später am Gerichtsprozess, an dem im November 1986 die Verantwortlichkeiten des Unfalls geklärt werden, eine zentrale Rolle spielen – sie entlasten die Reederei.Magnet für Schaulustige

Die Unfallstelle erweist sich im Herbst 1984 als ein regelrechter Publikumsmagnet: Tausende von Schaulustigen verfolgen von der Mittleren Brücke und den beiden Rheinufern aus die Bergungsarbeiten, die Glace- und Marroniverkäufer machen glänzende Geschäfte. Basel verfügt während knapp dreier Wochen über eine zusätzliche Attraktion.

Bedeutend weniger Freude an der havarierten «Corona» hat aber die Rheinschifffahrt, denn wegen der Bergungsarbeiten ist der Fluss für andere Fracht- und Personenschiffe komplett gesperrt. Vor allem der Gütertransport leidet in jenen Wochen stark. Bereits beladene Schiffe, insgesamt 19 an der Zahl, müssen samt Besatzungen in den Häfen von Birsfelden und Muttenz auf die Weiterfahrt warten.

Die Versuche, die «Corona» zu bergen, erweisen sich als sehr viel schwieriger als ursprünglich angenommen. Dazu trägt nicht zuletzt der hohe Rheinpegel bei. Wegen starker Regenfälle in den Tagen nach dem Unglück will dieser partout nicht sinken. Bei den Rettungsarbeiten gehen die Behörden minuziös ans Werk: Zuerst wird das gesunkene Schiff mit am Rheinufer befestigten Drahtseilen stabilisiert. Als dies gelingt, werden mithilfe von Tauchern die lecken Stellen abgedichtet, soweit dies möglich ist. Daraufhin versucht man das Wasser abzupumpen, das sich im Laderaum des Schubleichters befindet.

Das Wasser abpumpen und das Schiff heben: Die Bergung der «Corona» erweist sich als schwieriger als gedacht. KeystoneHeben mit dem Kran

Am Mittwoch, dem 10. Oktober, scheinen die Bergungsspezialisten am Ziel: Ein inzwischen installierter Kran soll das Wrack endlich heben. Doch bald zeigt sich, dass der Rumpf des Schiffes derart feststeckt, dass eine Bergung mit dem Kran so chancenlos ist. Die Aktion muss abgebrochen werden, es braucht nochmals Geduld – vor allem aber: eine neue Strategie.

Nun versuchen die Einsatzkräfte, eine Schiffswand der «Corona» mit Brettern zu erhöhen, um weiteres Wasser vom Eindringen abzuhalten. Ein Hilfsschiff versucht derweil, das Wasser in der «Corona» abzupumpen, um diese heben zu können. Schliesslich lässt sich das Schiffsheck nochmals um zwei Meter heben. Zwar sackt der Bug noch stärker ab, aber die Verkeilung des havarierten Schiffs kann so gelöst werden. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Die Bergung gelingt schliesslich am Sonntag, dem 14. Oktober. Die fast leergepumpte «Corona» ist trotz schweren Schäden noch so weit schwimmfähig, dass sie in den Kleinhüninger Hafen übergeführt werden kann. Die Basler Behörden atmen auf, der Rhein ist ab sofort wieder befahren.

Bis heute ist es in Basel nicht mehr zu einem so spektakulären Unfall gekommen wie 1984. Die Schifffahrt wird in den kommenden Jahren höchstens durch andere Faktoren gebremst, etwa durch die Finanzkrise von 2008 – oder Corona 2020. Diesmal ist das Problem aber nicht ein Schiff, das so heisst, sondern ein Virus.

Rainer Luginbühl

Journalist BR, Basel, Love what you do and do what you love