Verzell du das em Fährima! Verzellt dir ix e Frind, e liebe E Gschichtli, und de merggsch derby, Dass är die wott uff d Rolle schiebe Und dass sy Gschwätz nit wohr ka sy, So luegsch en vo dr Syten a: Verzell du das em Fährima! Mi stupfts, dä Spruch e bitzli z draihe. Wie mängmoll – gang i d Stadt dury- Entdegg i vyl, wo mi ka fraie; Uff eimoll stand i dno am Rhy, Und ganz im Ghaime kunnts mi a: Verzell das doch em Fährima! I bi halt mit em Rhy verbunde; Dur ihn kunnt mer my Heimet nooch. Zwor mängs isch in der Stadt vrschwunde, Vyl redt fir mi e fremdi Sproch. So Scheens hets gha, wo nimme stoht… Verzell du das em Grosse Root! S git ainewäg no gnueg hit z gniesse In Basel linggst und rächts vom Strom, Und mächtig iberm wyte Fliesse Stoht als no unsre alte Dom. Wär sait, er haig kai Fraid do dra? Verzell du das em Fährima!
Felix Burckhardt (1906-1992), genannt Blasius, 1955
Die vier Fähren über den Rhein sind ein Markenzeichen des Basler Stadtbildes und gehören für jeden Touristen zum Pflichtprogramm.
Seit 1994 steht Jacques Thurneysen als verantwortlicher Fährimaa am Ruder der wohl prestigeträchtigsten Basler Fähre, der Münsterfähre «Leu». Auf dem Bach – wie man den Rhein in Basel auch nennt – war der gelernte Schreiner aber bereits ab 1989, damals noch auf der Ueli-Fähre, tätig. Jac, wie ihn hier die meisten nennen, ist stets barfuss anzutreffen – im Sommer wie im Winter. Der grossgewachsene Fährmann hat einen kräftigen Händedruck, strahlt übers ganze Gesicht und man sieht, dass er seinen Beruf gerne ausübt. Nach dem Zusteigen der letzten Gäste stösst er sein Boot von der Anlegestelle am Fusse des Münsters und gibt uns während der Überfahrt zum Kleinbasler Ufer Auskunft:
Jacques Thurneysen, wie wurden Sie Fährimaa?
Ich bin Wasserfahrer und habe durch diesen Sport Walter Zimmerli – den ehemalige Fährimaa auf dem Vogel Gryff – kennengelernt. Dieser hat mir dann empfohlen, mich als Fährmann zu bewerben. Und es hat geklappt.
Für viele Ihrer Gäste ist der Beruf des Fährimaa sicher ein Traumjob und wird eher mit Müssiggang, als mit Arbeit verbunden. Empfinden Sie das auch so?
Ja. (lacht …)
Sie haben tausende von Gästen über den Fluss transportiert. Was wurden Sie am meisten gefragt?
Wie tief ist der Rhein? Wie wird das Wetter? Die Fragen sind aber nicht so wichtig … Wesentlicher ist der Gesang, mit der die Frage gestellt wird. Beim Münster ist übrigens die tiefste Stelle des Rheins in Basel, circa 5 Meter; sonst ist er überall zwischen 3 und 4 Meter tief.
Sie gelten als Philosoph und Exot unter den Fährleuten. Zu diesem Image hat sicher auch beigetragen, dass man Sie praktisch immer barfuss antrifft. Und sie haben immer wieder betont, dass eine Fahrt über den Rhein zum Denken anregt. Hat das Übersetzen vom einen zum anderen Ufer für Sie auch eine mythologische, tiefere Bedeutung?
Tiefere Bedeutung? Das Übersetzen vom einen Ufer zum anderen hat immer Bedeutung, ob auf dem Rhein, im Leben oder überhaupt. Ich sage den Menschen auf meiner Fähre oft, dass wir jetzt von einem Ufer zum anderen übersetzen und dass dies auch symbolisch zu verstehen sei. Wir sterben in jedem Moment und beginnen immer neu zu leben. Und das ist genau das, was uns die Fähre erzählen will.
Die Basler Fähren werden auch als schwimmende Festhütten genutzt. Nach Absprache kann man die Boote auch für private Anlässe wie Apéros, Geburtstags- und Hochzeitsfahrten mieten. Hauptsächlich auf dem «Wilde Maa» werden Lesungen und musikalische Unterhaltung angeboten. Getauft, geheiratet und sogar bestattet kann auf jeder Basler Fähre werden. Was bieten Sie aus diesem Spektrum an?
Wegen ihrer langen Öffnungszeiten eignet sich die Münsterfähre am wenigsten für private Anlässe. Wer jedoch die Randzeiten akzeptiert, kann von der traumhaften Kulisse profitieren. Ich meiner Funktion als Kapitän habe ich tatsächlich auch schon ein Paar getraut. Der Bräutigam war ein guter Freund von mir. So halte ich es auch mit Taufen und Bestattungen: Wenn ich die Menschen nicht ausserordentlich gut kenne, müssen sie sich ihren Zeremoniemeister selber organisieren – sonst ist es für mich eine Farce. Aber die Fähre stelle ich gerne zur Verfügung.
«Verzell das doch em Fährimaa» sagt man Leuten, die einem eine unglaubliche, abstruse Geschichte erzählen. Glaubt der Fährimaa alles?
Ja. Es entspricht mir mehr, alles zu glauben, als alles in Frage zu stellen.
Jeder Fährimaa kann auch Geschichten über seine Gäste und den Rhein erzählen. Geben Sie uns ein Beispiel …
Das ist eine Ausnahme, normalerweise erzähle ich keine Geschichten: Vor einigen Jahren ist eine Grossmutter mit ihrer Enkelin auf die Fähre gekommen. Die Enkelin hat auf den rissigen Lärchenbänken eine «Sprisse [Holzsplitter] gefangen», die im Kinderspital entfernt werden musste. Die Grossmutter fragte mich, ob es denn kein besseres Material gäbe für die Bänke. Ich sagte, dass Akazienholz ideal wäre, aber das würde etwa 1000.- Franken kosten, worauf sie sich anerbot, die Kosten zu übernehmen. Das hat sie dann auch getan. Seither habe ich Akazienbänke auf der Fähre.
Basels Fähren konnten im Jahr 2004 ihren 150. Geburtstag feiern. Um ehrlich zu sein: Ich dachte, diese Art des Brückenschlags wäre viel älter …
Die Mittlere Brücke wurde 1226 anstelle der alten Fähre erbaut. Diese wurde wahrscheinlich genau so betrieben wie die heutigen Basler Fähren. Sie war aber so selbstverständlich, dass es damals niemandem in den Sinn gekommen ist, sie schriftlich zu erwähnen. Jedenfalls betrieben schon die Römer in Augusta Raurica eine «Gierseilfähre» [das bis heute unveränderte technische Prinzip]. Damals machte man aus dem Hanf starke Seile – und nicht nur Rauch. Verbrieft ist aber, dass am 14. November 1854 die Harzgrabenfähre auf der Höhe der heutigen Wettsteinbrücke in Betrieb genommen wurde. Als die Brücke dann gebaut wurde, war das auch das Ende der Fähre. Dank der Klingentalfähre seit 1862 und der Münsterfähre, die seit 1877 über den Rhein fährt, gehören die «fliegenden Brücken» zum Stadtbild. Die St.-Alban-Fähre verband ab 1894 das St.-Alban-Tal mit dem neu entstehenden Quartier am Schaffhauser Rheinweg. Ein Jahr später wurde die Schlachthausfähre eröffnet, um einen Flussweg zwischen dem Unteren Kleinbasel und dem äusseren St.-Johann-Quartier herzustellen, und zwar nicht nur für Fussgänger, sondern auch für Kühe und Schafe, die vom Schwarzwald ins Schlachthaus gelangen mussten. Dieser Fährbetrieb wurde 1934 nach dem Bau der Dreirosenbrücke eingestellt und 1989 wieder belebt. Das war für mich der Einstieg als Fährimaa.
Basel ist bekannt für seine Fähren. Warum haben diese eigentlich in andern Städten, die an einem Fluss liegen, kaum eine oder gar keine Bedeutung? Schliesslich sind sie sicher das umweltfreundlichste Transportmittel überhaupt!
Basel ist einmalig, weil beidseitig des Rhein gelebt wurde und die beiden Städte schon vor mehr als 600 Jahren fusioniert haben. In den meisten andern Städten ist der Fluss peripher, diente lange Zeit in erster Linie als Abfallentsorger und war überdies ein Krankheitsherd. Auch Basel hat erst seit 1984 eine Kläranlage, aber die Strömung war hier immer so stark, dass unser Mist schnell fortgespült wurde.
Der Beruf des Fährimaa wurde früher über Generationen weiter gegeben. Zeigen Ihre Kinder bereits Interesse?
Ja. Aber um die innere Ruhe zu bekommen, die es bei dieser Arbeit braucht, müssen sie sich zuerst die Hörner abstossen.
Jacques Thurneysen Geboren 1950 in Paris.