Lebensgefährliche Sprünge in den Rhein

Waghalsige springen von der Mittleren Brücke ohne sich zu vergewissern, ob von flussaufwärts Schwimmer nahen. Artikel in der Basler Zeitung vom 23.Juni 2913:

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Von Martin Regenass

Basel. Es schiesst Adrenalin durch den muskulösen Körper des jungen Franzosen, am letzten Freitag nach Feierabend. Am Geländer der Mittleren Brücke nahe dem Kleinbasel stehen neben anderen Zuschauern rund ein Dutzend Kollegen und feuern ihn an. «Spring, spring!» schreien sie auf französisch und johlen, bereit die Szene auf den Smartphones festzuhalten. Zuerst steht der Mittzwanziger – in den Unterhosen – über dem ersten Bogen der Brücke. Er zögert rheinabwärts gerichtet, ob er in den Fluss springen soll. Von einem Passanten wird er auf mögliche Rheinschwimmer angesprochen, die sich an diesem heissen Sommerabend von oben nähern. Die konkrete Frage lautet, ob er auf der anderen Seite der Brücke einen Aufpasser postiert habe, der ihn auf herannahende Schwimmer aufmerksam mache. Der Franzose verneint. Es interessiere ihn nurmehr die Tiefe des Wassers nahe des Rheinbords und ob er nach dem Sprung auf den Grund stosse.

Unter Jubel zurück an Land

Die Lage scheint ihm zu unsicher und er steigt über dem zweiten Bogen auf das Steingeländer. Nach einigen Momenten des Zögerns springt er mit einem Salto in den Rhein. Der Aufprall ist hart und der Eintauchwinkel nicht sauber – Stilnote miserabel. Er landet fast auf dem Bauch. Jetzt gröhlen seine Kameraden. Die Handyaufnahmen sind im Kasten. Nach ein paar Augenblicken taucht er wieder auf und schwimmt kraulend und unter Jubel ans Ufer. Wenig später steht er ein zweites Mal auf der Brücke und springt erneut.

Solche Aktionen können lebensgefährlich sein. «Wenn ein Springer so auf einen Schwimmer auftrifft, kann das schlimmste Verletzungen mit sich bringen. Querschnittlähmungen bis hin zum Tod der Beteiligten können die Folge sein», sagt Prisca Wolfensberger, Mediensprecherin der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG). Die Problematik bestehe darin, dass oft niemand beobachte, ob sich ein Schwimmer, ein Schiff oder andere Gegenstände auf oder im Fluss nähern. «Je mehr Leute jeweils anwesend sind, desto weniger wird beobachtet», sagt Wolfensberger. Es handle sich dabei um ein Massenphänomen, das sich immer wieder zeige.

Bussen drohen

Streng nach Gesetz ist es in Basel-Stadt verboten, von Brücken zu springen. «Auch wegen der Strömungen und Wirbel nahe der Brückenpfeilern ist es sehr gefährlich», sagt Martin Schütz, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt. Wird jemand von der Polizei erwischt, kostet die Busse 100 Franken. Das sei aber pro Sommer nur eine Handvoll Mal der Fall. Schütz: «Man muss die Leute in flagranti erwischen. Wenn sie aber die Polizei sehen, dann springen sie nicht.» Zudem stelle sich nach dem Sprung und dem Verlassen des Wassers die Schwierigkeit der Identifizierung.

Dass das Springen von der Mittleren Brücke verboten ist, steht dort nicht unmittelbar. Aber: «Wir machen auf das Verbot auf Flyern und den Plakaten am Rheinbord aufmerksam. In Basel ist das bekannt», sagt Schütz. Wie häufig gesprungen werde, variiere von Jahr zu Jahr, so Schütz.

Brückenspringen liegt im Trend

Wolfensberger von der SLRG sagt, dass das Brückenspringen von Jahr zu Jahr beliebter werde. «Es ist etwas Lässiges. Wenn es Leute irgendwo machen, kann das andere anstecken und zum Springen animieren.» Genau dieses Phänomen zeigte sich am letzten Freitag auf der Mittleren Brücke. Bereits am Nachmittag sprangen zwei Wagemutige  – ebenfalls ohne Überwachung – in den Rhein und zahlreiche taten es dem Franzosen nach Feierabend gleich. Laut Wolfensberger gibt es in der Schweiz an wenigen Orten Verbote, von Brücken zu springen. Vor allem in Städten werden solche verhängt. «Verglichen mit der Anzahl Springender sind Unfälle glücklicherweise sehr selten», sagt Wolfensberger. So ereigneten sich jährlich weniger als fünf von durchschnittlich 50 Ertrinkungsfällen – der Grossteil davon in offenen Gewässern – nach einem Sprung von einer Brücke.

Betroffen seien über sämtliche Fälle betrachtet vor allem junge Männer im Alter zwischen 18 bis 25 Jahren. Wolfensberger: «Ihnen geht es wohl darum, anderen ihren Mut zu beweisen. Sie sind risikofreudiger als Frauen und müssen sich mit den Naturkräften messen.» Oft überschätzten sie dann ihre eigenen Fähigkeiten.

Am letzten Freitag kam bei Grenchen ein 20-Jähriger nach einem Sprung in die Aare von der «Archbrücke» ums Leben. Er tauchte nach dem Sprung nur noch kurz auf und ging danach unter, wie die Kantonspolizei Solothurn mitteilte. Am Samstag wurde er geborgen. Die Todesursache werde ermittelt. Laut der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt liegt ein solcher Fall in Basel «längere Zeit zurück».


© National-Zeitung und Basler Nachrichten AG

Rainer Luginbühl

Journalist BR, Basel, Love what you do and do what you love