Die fliegenden Brücken zu Basel. Gastbeitrag von Niggi Schöllkopf

Die fliegenden Brücken zu Basel – so nannten unsere Vorfahren die Basler Rheinfähren, weil diese damals die Aufgabe unserer heutigen Brücken erfüllten.

Versetzen wir uns doch einmal zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Mittlere Rheinbrücke war die einzige Verbindung zwischen Gross- und Kleinbasel. Auf Initiative des Statthalters der Künstlergesellschaft, Johann Jakob Im Hof-Forcart, konnte 1854 die Harzgrabenfähre zwischen der St. Albanvorstadt und dem Bürgerlichen Waisenhaus eröffnet werden; sie war bis 1877 im Betrieb. Im Jahre 1862 wurde dann die zweite Fähre, vom Totentanz zur Kaserne, in Betrieb genommen und an Stelle der Harzgrabenfähre wurde 1877 die Münsterfähre als «fliegende Brücke» eingesetzt.

Die Fähren rentierten, so dass aus dem Fahrerlös der langgehegte Wunsch der Künstlergesellschaft (des späteren Basler Kunstvereins) in Erfüllung gehen durfte und die Kunsthalle am Steinenberg errichtet werden konnte. 1894 nahm die St. Albanfähre ihren Betrieb auf und als fünfte wurde 1895 die Schlachthoffähre zwischen St. Johann und dem Klybeck-Quartier eingesetzt.

Die fünf Rheinübergänge florierten aber nur so lange, als noch keine weiteren Rheinbrücken die Fähren konkurrenzierten. Mit dem Bau der Wettsteinbrücke (1879), der Johanniterbrücke (1882) und der Dreirosenbrücke (1934) erlitten die Fähren massive finanzielle Einbussen, benützten doch jetzt die Einwohner von Gross- und Kleinbasel mehrheitliche ihre neuen Quartierbrücken. So wurde immer wieder in Erwägung gebracht, man möge die Fähren in den Besitz des Staates überführen. Auf einen diesbezüglichen Antrag im Jahre 1873 im Basler Grossen Rat beschlossen aber die Grossräte, einem solchen Vorstoss nicht stattzugeben. Für kurze Zeit waltete die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) über den Basler Fähren, bevor diese in den Jahren 1936, 1942 und 1954 in den privaten Besitz der Fährmänner übergingen.

So erhielt 1936 Fährmann Fritz Bürgin die Klingentalfähre, in der Meinung, ihm durch diese Schenkung einen sorglosen Lebensabend zu sichern. Diesem Beispiel folgte wenige Jahre später auch die Kommission der Schwimm- und Badeanstalt der GGG, welche die Münsterfähre im Jahre 1942 dem tüchtigen Fährmann Karl Städeli unentgeltlich abtrat. Die St. Albanfähre dagegen ging 1954 zu Fr. 12’000.- an den damaligen Fährmann Gustav Buchsinger.

Ein besonderes Ereignis für die vier Rheinfähren war zweifellos das Jahr 1944: An einem sommerlichen Juni-Sonnntag erhielten sie nämlich ihre offiziellen Taufnamen, was mit einer richtigen «Fähritaufe» und einem kleinen Volksfest im Kleinbasel verbunden war. Die oberste Fähre, die Birsfelden mit der äusseren Grenzacherstrasse verband, erhielt den Namen «Ueli», die St. Albanfähre wurde auf den Namen «Wild-Ma», die Münsterfähre auf «Leu» und die Klingentalfähre auf «Vogel Gryff» getauft. Die drei Ehrengesellschaften Kleinbasels waren durch die Bannerherren würdig vertreten.

Nach den Kriegsjahren (1939-1945) erlebte der Strassenverkehr einen raschen und markanten Anstieg; Personenwagen, Motorräder und Fahrräder nahmen um Tausende pro Kalenderjahr zu, neue Tram- und Buslinien wurden geschaffen. Und das Breite-Quartier kam endlich zu seiner lang ersehnten Rheinbrücke, der modernen und breiten St. Albanbrücke. Sie wurde im Frühjahr 1955 feierlich eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben. So versteht es sich, dass die Fahrfrequenzen der drei übrig gebliebenen Rheinfähren spürbar zurück gingen und die Fährmänner als deren Privateigentümer mit ihrer Existenz zu kämpfen hatten.

Als zu Beginn der 1970er Jahre die Klingentalfähre durch den Besitzer aus Altersgründen zum Verkauf angeboten wurde, sollte diese für ein Spekulationsgeschäft herhalten. Denn die ernsthaften Absichten finanzkräftiger Unternehmen liessen nicht nur künftige Übernahmepreise in astronomische Höhen schnellen, sondern stellten auch einen gesicherten Fortbestand der Basler Fähren in Frage. Es ist dem Kleinbasler Arzt Dr. Hans J. Nidecker zu verdanken, dass solchen Ansinnen rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben wurde. Zusammen mit einigen Basler Mitbürgern gründete er 1972 die «Stiftung Klingentalfähre Vogel Gryff», die als erste die Klingentalfähre in ihren Besitz brachte. Zugleich konnte mit den zuständigen Behörden ausgehandelt werden, dass beim Verkauf der anderen Fähren die Fahrkonzession auf die Stiftung übertragen wird.Damit ist dafür gesorgt, dass diese typischen und beliebten Basler Verkehrsmittel automatisch an die Stiftung kommen. Schon im Frühjahr 1976 ging auch die St. Albanfähre «Wild-Ma» in das Eigentum der Stiftung über. Daraufhin änderte die Stiftung ihren Namen in «Stiftung Basler Fähren».

Die Fähren wurden jetzt an die Fährmänner verpachtet; sie entrichten also der Stiftung einen jährlichen Pachtzins. Diese Beträge reichen jedoch niemals aus, um den Unterhalt und die stets anfallenden Reparaturen oder gar Neuanschaffungen eines Fährschiffs zu bezahlen. Zur Gründung musste zudem ein Bankkredit aufgenommen werden, damit die Ablösesumme dem damaligen Besitzer bar auf die Hand gelegt werden konnte. Deshalb wurde im Januar 1974 der Gönnerverein «Verein Freunde Basler Fähren» gegründet; der Name wurde mittlerweile in «Fähri-Verein Basel» geändert. Der Verein hat rund 4’000 Mitglieder, die mit ihrem Jahresbeitrag und Vergabungen mithelfen, den Unterhalt der Fähren zu tragen.

Um das Bankdarlehen möglichst schnell abzulösen, wurde 1976 das erste dreitägige «Fährifest» links und rechts der Mittleren Brücke und der Johanniterbrücke durchgeführt. Der Reinertrag übertraf alle Erwartungen, so dass nicht nur die Bankschulden beglichen, sondern auch ein ansehnlicher Betrag als Reserve angelegt werden konnte. Nach dem Erwerb der St. Albanfähre wurde das zweite «Fährifest» abgehalten, das ebenfalls einen grossen Gewinn einbrachte. Inzwischen wurden die Klingental- und die St. Albanfähre durch die Einnahmen des Festes und einen Teil der Jahresbeiträge der Vereinsmitglieder ersetzt. Die Stiftung ist ihre finanziellen Sorgen los.

Der Gönnerverein und die Stiftung arbeiten seit Beginn eng und ehrenamtlich zusammen. Sie sind je mit einem Sitz im Vorstand bzw. im Stiftungsrat vertreten.

Nach der Überbauung des St. Johannparks bei der Dreirosenbrücke lag es auf der Hand, dass die 1934 aufgegebene «Schlachthoffähre» wieder auferstehen konnte. Im September 1989 wurde die vierte Rheinfähre, «Ueli» genannt, zwischen dem St. Johannpark und den Unteren Rheinweg mit einem zweitägigen Volksfest an beiden Rheinufern der Öffentlichkeit übergeben.

Bereits wechselte auch die letzte private Fähre, «die Münsterfähre» in den Besitz des Fähri-Vereins. Der Fähri-Verein übergab schliesslich das Fährschiff samt Zubehör an die Stiftung. Somit werden nun alle vier Rheinfähren von der «Stiftung Basler Fähren» verwaltet.

Die Rheinfähren gelten als offizielles – aber privates – Verkehrsmittel, auch wenn sie nicht dem Tarifverbund angehören. Sie sind wohl das umweltfreundlichste «Fahrzeug», das im Verkehr steht, denn sie werden allein durch die Rheinströmung angetrieben. Sie gehören zum vertrauten Stadtbild und sind nicht nur für die Basler Bevölkerung, sondern auch für die Besucher unserer Stadt und für die Touristen eine echte Attraktion und als solche ein beliebtes Fotosujet.

Dank privater Initiative – und notabene ohne Staatsbeitrag – ist unseren Fähren die Zukunft gesichert. Darauf dürfen wir stolz sein!

von Niggi Schoellkopf

Fähri-Verein Basel / Präsident 1974-1999

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Rainer Luginbühl

Journalist BR, Basel, Love what you do and do what you love