DA KOMMT HERR MINU DOCH GOLDRUNDRICHTIG
Nun. Es ist nicht Jederfraus Sache Weihnachtsgeschichten zu sülzen, wenn draussen die Tomaten an den Stauden runzeln, weil die Aussentemperatur gegen 40 Grad zeigt.
Das ist , als ob Du fürs Rheinschwimmen Anisbrote backen müsstest.
Oder Schneeschaufeln in der Sahara.
ES IST GANZ EINFACH SCHRÄG.
Aber es ist leider Tatsache. Denn kaum dass die ersten Familien bei Sommerferienbeginn auf den Autobahnen in den Blechwellen kochen und du dir selber im Karren wie das eigene Backhähnchen am Drehspiess vorkommst – also kaum dass die Menschheit den Sommer bejubelt, trudelt auch schon das erste mail an: „Es ist bald wieder soweit: Adventszeit…Kerzenflimmern…und leise nieselt der Schnee…um Ihre Geschichte noch rechtzeitig illustrieren und druckreifes Deutsch umsetzen zu können, sollten wir das Weihnachtsdrama bis spätestens zum ersten August bei uns auf dem Redaktionstisch haben…“
ICH MEINE – DA FLIMMERT DANN NICHT NUR DIE HITZEWELLE ÜBER DEM KORNFELD. DA SCHWITZT DU GANZE BÄCHE DEN ARSCH RUNTER.
IN WILDER WUT DENKST DU DIR ALS ERSTES HORROR-GESCHICHTEN AUS, WO DER WEIHNACHTSMANN GEKÖPFT UND SEIN RENTIER AN EINER WILDRAHMSAUCE SERVIERT WIRD. Erst der Eistee, der Herr Innocent dir serviert (weil er die chaotischen Ausbrüche seiner Tucke kennt) und das beschlagene Glas, das ein bisschen an ein angelaufenes Stubenfensterchen im Winterchalet erinnert, kühlt dich ab. Und bringt dich auf diese verrückte Welt der heissen Tatsachen zurück. DIE HEISSEN TATSACHEN ABER SIND KALTE WEIHNACHTSGESCHICHTEN!
Das Schicksal hat bei mir kein Schablonen-Kästchen ausgelassen. ES GRIFF IN DIE VOLLEN!
Die Redaktionen unseres Landes haben mich fein säuberlich in Cliché-Schubladen abgelegt, computertechnisch abgespeichert, so dass ich – DINGDONG! – beim Eingeben der Schlagworte „Kochen…WEIHNACHTSGESCHICHTEN…schwul“ bei jedem Googel-Anschlag 133 000 Treffer erziele.
Zu eben diesen Schubladen-Themen bekomme ich dann auch die entsprechenden Aufträge: „schreiben Sie doch einfach, weshalb Gigi Oeri nicht zum Basler Daig gehört“ (Stichwort KLATSCH )
Oder: „…Sie können uns sicher verraten, weshalb der Basler Salm unter Zwiebeln begraben wird?“ (Stichwort KOCHEN)
Und: „…also wenn einer es weiss, dann SIE: ist Wladimir Putin auch …und mit wem?…aktiv, passiv , versatil?“ (Stichwort SCHWUL)
Ein bisschen Flitter im Haar und meine kugelrundliche Form lassen Redaktoren dann auch immer gleich an Weihnachten denken – deshalb“ …sollten wir für die Ausgabe vom 24.12. noch einen Heuler haben? DA KOMMT HERR MINU DOCH GOLDRUNDRICHTIG...“
Ich meine: noch nie hat eine Redaktion mir gemailt: könnten Sie uns eine Opernkritik über Frau Wagner’s Tristan in Bayreuth schreiben?
Als einstiger dritter Knabe in der Zauberflöte wäre ich da sicherlich kompetenter als mancher Opernkritiker, dessen einzige musikalische Referenz der eingeklemmte Furz ist .
Man will auch keinen politischen Kommentar aus meiner Feder über die unhaltbaren Zustände im russischen Staat, wenns um gemobbte Schwuchteln geht. Nein. Man möchte nur wissen, ob der muckiprotzige Wladimir tatsächlich auch …and if he put in.
DANN NATÜRLICH WEIHNACHTSGESCHICHTEN. Die Redaktionen erwarten, dass ich diese schönen Tränendrüsen-Heuler rauslasse, wie das Batterienhuhn die Eier. (Nur dass das Batterienhuhn besser gehalten wird, als ein freier Journalist mit Glimmer im Haar…)
Nun war das mit den Weihnachtsgeschichten schon in jüngsten Jahren so. Man darf ruhig sagen: DER SCHREIBER WAR EIN BILDSCHÖNES, GAR LIEBLICHES KIND MIT VOLLEN LIPPEN UND EINER ENTSPRECHENDEN BEGABUNG FÜR DIE FLÖTE!
Aber wollten die Grossen etwa Blockflöten-Gebläse unter dem Baum! Mitnichten. Sie wollten , dass das schöne Kind Gedichte zum Fest rezitierte – die Oden an das Weihnachtskind waren so ellenlang, dass der Baum am Schluss abgenadelt im Dunkeln stand. Die Kerzen waren längst abgebrannt, als der süsse Junge endlich zum Schluss ansetzte:
„…und dur das Drepfli Bluet in stille Stunde,
hett s Mueterhärt sy Hailand wider gfunde!“.
Es war meine liebe Grossmutter von der unvorteilhaften Vaterseite , welche mir ALL DIESES GROSSE beibrachte. Sie putzte morgens in einem Kino, das im Volksmund „die Revolverküche“ und beim Finanzamt „Cinéma Union“ hiess. Während sie die Putzreihen blochte liess sie sich Vom Operateur und liess Western und Liebesfilme wie Sissi rauspfeifen. Ich sage das nur, um ein Bild zu zeichnen, wie Omi’s Weihnachtsgedichte etwa getönt haben, die sie für mich aus einem Büchlen mit dem Titel „MIR SÄÄGE-N-UFF!“ herauskopiert hatte. Ihr Plan war, dass ich den Grippenspiel-Vortrag jeweils beim Je-Ka-Mi-Sommernachmittag („Hausfrauen-Mittwoch“) im Clara-Variété vortragen würde. Wer da nämlich etwas zu bieten hatte, bekam von Vater Thöni im alten „Clara“ ein Bier spendiert. So habe ich also bereits als sechsjähriger Knabe inmitten von Strip-Nummern und Zaubereien beim Variété-Programm wunderbare Weihnachtspoesien vorgetragen, die vom lieben Kindlein handelten und von der barmherzigen Mutter im Stall. Die Stripperinnen heulten sich was in den nackten Nabel. Und meine Grossmutter war zufrieden, weil sie ein Freibier gestemmt bekam. Ja, sie lass dann nicht locker, bis ich das ellenlange Gesülze vom „Sandmaitli“ eingepaukt hatte – eine Mundartpoesie, die bei guter Geschwindigkeit und richtigen Effekt-Pausen schon mal eine halbe Stunde dauerte. Die Omi wurde dafür mit z w e i Gratisbier entgolten und ich bekam einen ziemlich dünnen Sirup spendiert.
Ich will nicht hadern – ich möchte einfach erklären, weshalb um mich auch heute noch mitten im August ein Hauch von Weihnachtsgeschichte weht, obwohl mir schon als kleiner Bub die Flöte näher lag. ABER MAN LIESS MICH NICHT. Man legte mich schon damals in die Cliché-Schublade „Weihnachten – ach der –minuli wird’s schon richten“.
UND WAS PASSIERTE NUN VOR DREI TAGEN?
Da schrieb mir einer wie Rainer doch tatsächlich. „Heee Alter…bald rasseln die Tannnennadeln aufs Parkett. Könntest Du uns hier mal erklären, weshalb Dich so etwas heiss macht? Und weshalb man immer nur Weihnachtsgeschichten von dir hört…?“.
Wie gehabt: sie wollen das Gesülze. Und nicht die Flöte…
Hanspeter Hammel, genannt -minu, ist in Basel weltberühmt und braucht hier nicht vorgestellt werden.
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